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Worin liegen die Vorteile modularer Materialflusssysteme?

Dass Produktionsprozesse innerhalb eines Betriebes nicht dauerhaft nach Schema F ablaufen und von Zeit zu Zeit verändert werden müssen ist keine Neuigkeit. Trotzdem sind die Materialflusssysteme vieler, insbesondere kleiner und mittelständischer, Betriebe nicht wandelbar. Im Idealfall machen sie kundenspezifische Konfiguration nicht nur möglich, sondern einfach, sodass sie bei veränderten Arbeitsabläufen mit geringem Aufwand angepasst werden können. Modulare Materialflusssysteme könnten die Lösung sein. In diesem Blogbeitrag zeigen wir ihr Potenzial auf. Was versteht man darunter? Was können die Anlagen? Braucht man sie wirklich?

13.03.2023
von Thorsten Burgard
Lesezeit: ca. 4 Min.

 

Die Stückzahlen identisch produzierter Waren in einem Fertigungsbetrieb verringern sich. Kundinnen und Kunden fordern zunehmend individuelle Produkte an. Zudem ist es unmöglich, Produktionsszenarien für einen längeren Zeitraum vorherzusehen. Das produzierende Gewerbe muss also in der Lage sein, auf ungeplante und nicht vorgedachte Ereignisse zu reagieren.

Erforderlich sind Lösungen, die schnelle und kostengünstige Anpassungen sowie einen auch mit der veränderten Systemkonfiguration im Anschluss an den Wandlungsprozess kostengünstigen Betrieb ermöglichen. Das gilt für die Fertigungslinien ebenso wie für die Intralogistik. Hinsichtlich des innerbetrieblichen Materialflusses erfüllt die Modularisierung der Fördertechnik diese Anforderungen.

Definition: Was sind modulare Materialflusssysteme?

Modulare Materialflusssysteme bestehen aus einzelnen Modulen, von denen jedes einzelne ausgetauscht sowie um bereits vorhandene Module reduziert oder erweitert werden kann. Per Definition des Langenscheidt Fremdwörterbuchs sind Module Bauteile oder Bauteilgruppen, die eine funktionale Einheit bilden. Eine funktionale Einheit kann beispielsweise Güter heben oder absenken, in eine Richtung verfahren, drehen, kippen oder einem Regal entnehmen beziehungsweise hineinlegen.

Die funktionalen Einheiten innerhalb eines Materialflusssystems sind technisch hochgradig standardisiert und mit Schnittstellen ausgestattet. So wird die Verbindung einzelner Module sichergestellt.

Beispiel 1 – Rollenbahn und FTS

Denkbar ist beispielsweise eine Rollenbahn, an deren Ende ein fahrerloses Transportsystem (FTS) Fertigungsteile aufnimmt und zu einem Montagetisch fährt: Zunächst ist ein FTS im Einsatz. Dann werden aufgrund steigender Auftragszahlen zwei weitere FTS in Betrieb genommen. Etwas später zeichnet sich ab, dass wegen anhaltenden Personalmangels in der Kommissionierung die Fertigung ins Stocken gerät. Um die Produktionszahlen möglichst konstant zu halten, wird eines der FTS um einen Roboterarm erweitert und kommissioniert vorübergehend Teile, die über die Rollenbahn in die Montagehalle gelangen. Aufgrund der Modularität lassen sich die FTS schnell und kostengünstig anbinden beziehungsweise in ihrer Funktion verändern. Somit unterstützt das modulare Materialflusssystem die Optimierung der Betriebsabläufe.

Beispiel 2 – Hängekran und Elektrohängebahn

Ein anderes Beispiel stammt aus einer Fabrik, in der Autoteile gefertigt werden. Der Kunde kann direkt Einfluss auf die Gestaltung sowie den Funktions- und Leistungsumfang nehmen. Es gibt also fast keine Serienproduktion, lediglich auftragsneutrale Bauteile werden in größeren Mengen vorgefertigt.
Die Fabrik gliedert sich in die drei Bereiche „Fertigung auftragsneutraler Module“, „Fertigung individueller Bauteile“ und „Montage“. Für diese gelten unterschiedliche Anforderungen an die Materialflusstechnik:

  • Fertigung auftragsneutraler Module: Die Reihenfolge in der Auftragsabwicklung ist vorgegeben und für alle Produkte gültig
  • Fertigung individueller Bauteile: Jeder Arbeitsplatz soll flexibel bedient werden können, in der Abwicklung der Produktionsschritte gibt es keine feste Reihenfolge
  • Montage: Es gibt eine getaktete Montagelinie, die Arbeitsplätze entlang dieser Linie sollen flexibel versorgt werden können
     

Das Materialflusssystem ist eine Kombination aus Hängekran und Elektrohängebahn (EHB). Die einzelnen Produktionsbereiche werden über einen Hängekran von oben bedient. So ist jeder Ort im Produktionsfeld erreichbar und damit Flexibilität gegeben. Damit sich neue Bereiche erschließen und miteinander verbinden lassen, sind alle Kranfelder von EHB-Schienen umgeben. Die Fahrzeuge, die auf den EHB-Schienen fahren und das Fördergut tragen, sind austauschbar, sodass das Materialflusssystem auch dann noch genutzt werden kann, wenn einmal ganz andere Teile befördert werden müssen. Auch die Anzahl der Fahrzeuge ist flexibel reduzier- und erweiterbar. Zudem können bei Bedarf andere Systeme wie FTS oder Stapler integriert werden.

Vorteile: Womit punkten modulare Materialflusssysteme?

Wozu das Ganze? Modulare Materialflusssysteme sind wirtschaftlich und wandlungsfähig. Wirtschaftlich, weil sie relativ einfach konfiguriert, gebaut sowie aufgebaut werden können und weil die Inbetriebnahme und Wartung weniger Zeit und Kosten verursachen als bei vielen anderen Systemen. Und wandlungsfähig, weil sie skalierbar und flexibel sind.

Im Folgenden werden die Punkte noch einmal etwas detaillierter beschrieben.

Geringer Planungs- und Realisierungsaufwand

Von Beginn an sind die Anlagen auf die Bedürfnisse der Anwenderinnen und Anwender zugeschnitten, sind dabei aber vergleichsweise günstig. Denn Anbietende greifen bei der Konzeption auf einen umfangreichen Baukasten an Modulen zurück, die sich zu Materialflusssystemen zusammensetzen lassen. Da alle Module einfach miteinander verknüpft werden können, ist der Planungs- und Realisierungsaufwand gering. In der Regel erfolgt keine komplette Neukonzeption.

Skalierbarkeit und Flexibilität

Um neuen Anforderungen zu entsprechen, können modulare Materialflusssysteme gezielt verändert werden. Die Reduzierung oder Erweiterung von Komponenten – der gleichen Bauart oder ganz anderer – ist ohne weiteres möglich.

Kurze Servicezeiten

Die Inbetriebnahme geht zügig, da jedes Modul eine abgeschlossene Funktionseinheit bildet und unabhängig vom Gesamtsystem getestet und aktiviert werden kann. Auch bei der Wartung ist diese Eigenschaft modularer Materialflusssysteme hilfreich.

Reality Check: Braucht man modulare Materialflusssysteme?

Um zu bewerten, wie sinnvoll modulare Materialflusssysteme sind, ist ein Blick auf die Prozesse in der Industrie notwendig. Die Realität sieht wie folgt aus: zunehmende Verkürzungen der Produktlebenszyklen, hoher Innovationsdruck, Trend zur Fertigung kundenindividueller Produkte, hohe Variantenvielfalt. Das erfordert eine schnelle und effiziente Anpassung der intralogistischen Systeme an veränderte Rahmenbedingungen. In der Regel bedarf es Anpassungen hinsichtlich Größe, Funktion und Strukturen. Manchmal ist es sogar notwendig, dass ein System als Ganzes mobil ist, damit ein Unternehmen sich in einem neuen Markt behaupten kann.

Kurz gesagt: So dynamisch wie der Markt müssen auch die Produktionsstrukturen sein. Dies bedingt wiederum dynamische Materialflusssysteme. Denn wenn der innerbetriebliche Warenfluss starr bleibt, ist auch die Produktion nur bedingt wandelbar. Die Individualisierung der Produktion bedarf also dynamischer Materialflusstechnik. Hier sind modulare Systeme eine adäquate Lösung, weil sie die nötige Flexibilität bieten.

Auch ökonomisch macht es Sinn, in wandelbare Anlagen zu investieren. Denn die individuelle Produktion ist gegenüber der Serienfertigung per se teurer. Modulare Materialflusssysteme helfen aber aufgrund ihrer hohen Wirtschaftlichkeit, die Kostenschere zu verkleinern.

Was sind die Alternativen zu modularen Materialflusssystemen?

Alternativ zu modularen Materialflusssystemen könnte man zum einen auf ein starres System setzen. In dem Fall ist allerdings bei notwendigen Veränderungen mit höheren Investitionen zu rechnen als bei modularen Materialflusssystemen.

Die zweite Option ist, sich zu Beginn bereits für eine Lösung mit allerhöchster Wandelbarkeit zu entscheiden. Die Kosten dafür sind allerdings wahrscheinlich noch höher und es bleibt die Unsicherheit, ob wirklich alle Eventualitäten abgedeckt sind.

Betrachtet man Kosten, Aufwand und Flexibilitätsgrad im Verhältnis zueinander, bietet sich die Anschaffung von Materialflusssystemen an, die mit geringem Aufwand an veränderte Rahmenbedingungen angepasst werden können.

Hat das Thema Ihr Interesse geweckt und Sie wünschen sich dazu Beratung? Dann wenden Sie sich an uns.

 

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